Einer der Hungerstreikenden in Berlin erlitt einen Kreislaufzusammenbruch. Inzwischen ist er wieder stabil, doch an aufgeben denkt der Aktivist, der sich Wolli nennt, keinesfalls. Stattdessen möchte er seinen Hungerstreik durch Verzicht auf Trinken noch verstärken.
Teile der Klimabewegung nutzen den Hungerstreik zur Mobilisierung. Zumindest das sehen wir kritisch. Die Klimabewegung ist nach Jahren des andauernden Engagements ausgezehrt. Auch wir haben uns z.B. am 31.5. zahlreichen Klimademos von FFF angeschlossen, zum Teil auch bei deren Organisation geholfen. Es waren jedoch allgemein nicht viele Menschen vor Ort. Die gerade aufgetretenen Hochwasser in Süddeutschland zeigen, dass uns erste, kleinere Auswirkungen des Klimawandels schon heute treffen, auch in Europa. Das interessiert jedoch immer weniger Menschen. Insbesondere nicht Olaf Scholz, dem die Hungerstreikenden eine Regierungserklärung abringen möchten.
Scholz ist kein Klimakanzler! Er wird keine Erklärung verfassen, die den Ernst der Lage angemessen beschreibt – und selbst wenn doch, würde er nicht ernst genommen werden. Insbesondere wenn eine solche Erklärung auf den Druck von Aktivist*innen entsteht, wird sie niemand außerhalb der Klimabewegung erreichen.
Erklärungen, den Klimawandel einzudämmen, haben Regierungen ebenfalls schon viele abgegeben. Nur ein Handeln über das, was wir aktuell erleben hinaus, ist nicht passiert.
Die bestehende Regierung ist personell und strukturell nicht in der Lage dazu. Da nützt kein noch so konsequenter Protest. Die Klimabewegung muss jetzt sehen, dass sie verlässliche und kompetente Menschen aus ihrer Mitte in die Parlamente hinein wählt.
Wir appellieren an Wolli: Bitte setze dein Leben nicht leichtfertig aufs Spiel für ein Lippenbekenntnis einer Regierung, die sowieso nicht in der Lage ist, das Problem Klimawandel angemessen zu behandeln. Wir hoffen, du findest den Mut, nicht aufzugeben und dass du der Klimabewegung noch lange erhalten bleibst und den Tag, an dem wir klimaneutral sein werden, noch erlebst. Ob wir diesen Tag als das Ende einer von nun an schnellen und erfolgreichen Energiewende werden feiern können oder ob er durch den Zusammenbruch unserer Wirtschaft durch zu langes Festhalten an fossiler Energie in einer 3 oder 4 Grad wärmeren Welt zustande kommt, das wird sich zeigen.
Leider erleben wir in unserem Wahlkampf, dass sich immer mehr Menschen von der Realität abwenden, die Tatsache, dass das jedes Jahr dichter werdende CO2 in der Athmosphäre von uns Menschen kommt und dass wir aus der Erdgeschichte sicher wissen, dass CO2 das Klima erwärmen kann, abstreiten. Ebenso gibt es zunehmend mehr Menschen, die zwar alle Fakten kennen, aber grundsätzlich nicht daran glauben, dass wir irgendwie rechtzeitig klimaneutral werden können. Sehenden Auges in eine Katastrophe zu gehen ist eine sehr fatale Haltung, die hier in anderer Form auch von den Hungerstreikenden gelebt wird.
Wir stehen am Beginn eines globalen Massenaussterbens. Viele Arten sind durch menschliche Aktivitäten bereits auf den Bruchteil ihrer natürlichen Population geschrumpft. Nun kommt der Klimawandel on-top und zwingt die Arten zur Anpassung und zur Verschiebung ihrer Biotope. Arten, die schon heute stark dezimiert sind, werden das nicht schaffen. Niemand weiß genau, wie belastbar unsere Ökosysteme sind, was bei einem Zusammenbruch genau passiert. Klar ist nur, dass es länger dauert, als es die Menschheit überhaupt gibt, bis sich die Artenvielfalt nach einem Aussterbeereignis wieder regeneriert haben wird. Vor diesem Hintergrund ist radikaler Protest angemessen und verständlich. Wir sind auf dem besten Weg, unseren Nachfahren keine intakte Umwelt zu hinterlassen.
Dennoch: Der Weg aus der Krise erfordert wissenschaftliche Herangehensweisen, entschlossenes und gleichzeitig wohl überlegtes Handeln. Die Möglichkeit, über zielführende Lösungen zu informieren und diese voran zu bringen, wird mit der Berichterstattung über radikale Aktionen leider auch übertönt. Solange es keinen Aufruf gibt, etwas ganz konkretes richtig zu entscheiden (Eine Windenergieanlage zu errichten, ein Baugebiet auf kalte Nahwärme und ohne Erdgasnetz zu planen, eine Bahnlinie unter dem Gesichtspunkt der Personalknappheit auf längere Züge auszulegen, etc.), so lange werden auch die radikalsten Aufrufe nach allgemein mehr Klimaschutz verhallen. Im Moment haben wir den Hebel, die richtigen Entscheidungen in die Wege zu leiten, noch nicht angesetzt.