Klimaliste

Deutschland

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Gerichtsurteil für Klimaschutzsofortprogramm – zu hoher CO2-Ausstoß im Verkehrs- und Gebäudesektor

Großer Jubel in der Klimagerechtigkeitsbewegung: Die Deutsche Umwelthilfe und der BUND bekommen mit ihrer Klage gegen den zu hohen CO2-Ausstoß im Gebäude- und Verkehrssektor in Deutschland vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Recht.1 Klimaschutz-Sofortmaßnahmen müssen laut Urteil unverzüglich umgesetzt werden. Überschreitet ein Sektor die Minderungsziele der Treibhausgase, muss das zuständige Ministerium innerhalb von 3 Monaten handeln.

Mit dem Urteil kommt erfreulicherweise schnell die so notwendigen Forderungen nach einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/ h auf Landstraßen und 30 km/h in den Innenstädten, einem generellen Ende der Subventionen von fossilen Energieträgern, sowie einer raschen energetischen Sanierung von Schulen und Kindergärten auf. Endlich passiert mal was, „Bravo Deutsche Umwelthilfe und BUND“, so der Tenor in der Klimagerechtigskeitsbewegung. Die Ernüchterung folgt leider prompt: Volker Wissing (FDP) äußert, die Bundesregierung werde in die Revision gehen.2 Etwas anderes konnte man bei der durch und durch klimafeindlichen fossilen Lobbypolitik der FDP auch nicht erwarten. Ob er damit durchkommt? Ob bei einer Revision das Urteil anders ausfallen wird? Die Antwort lautet: Wahrscheinlich schon, was dann hieße, dass am Ende überhaupt nichts geändert wird.

Wir erinnern uns: Großen Protest gab es von Greenpeace, Fridays for Future und vielen Umweltverbände, als durchdrang, dass die Ampel-Regierung die einzelnen Sektoren-Ziele beim Klimaschutz abschaffen wird und nur noch die gesamte Menge aller einzelnen Sektoren in Betracht kommt. Verfehlt ein einzelner Sektor seine Klimaziele, so kann er durch einen anderen Bereich ausgeglichen werden. Genau dies kommt nun Volker Wissing und Klara Geywitz bei einer möglichen Revisionsklage, die das Oberverwaltungsgericht zugelassen hat, zu Gute. Der Bundestag ändert schnell die Rechtslage und schon wird das Urteil des Gerichts zunichte gemacht. Tricksereien ohne Ende, dies erleben wir schon seit Jahren. Frust ist hierbei schon gar kein Ausdruck mehr. Hunderttausende demonstrieren für einen schnellen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, werden dann aber von Seiten der Politik „aufgeklärt“, dass diese Forderung möglicherweise zu einer Gelbwestenbewegung wie in Frankreich führe. Jedes Mal wird jedoch eines vergessen, und zwar, dass unser Planet und unsere lebensnotwendige Erdatmosphäre keine Tricksereien verstehen – unser Planet und unsere Atmosphäre reagieren und zwar auf das, was wir ihnen antun. Da kann behauptet werden „juristisch ist das alles einwandfrei“ oder bei anderen Vorhaben wie vor der brutalen Räumung von Lützerath: „juristisch ist hier alles geklärt, da ist nichts mehr zu machen“.3 Wir leben über unsere Verhältnisse, wir überschreiten um ein Maximales unsere planetarischen Grenzen. Das ist das, was am Ende zählt. Halten wir die planetaren Grenzen ein oder nicht.

Vor dem Abriss von Lützerath war es genau anders herum. Damals hat die Politik im Bund und Land genau gegenteilig argumentiert, nachdem das Oberverwaltungsgericht in Münster nach der Klage von Bauer Eckhardt Heukamp geurteilt hat, dass der Konzern RWE den Weiler Lützerath für die Braunkohleverstromung abreißen darf. Daraufhin wurde besonders Frau Neubaur von den Grünen / NRW nicht müde zu betonen, dass das Gericht hier entschieden habe und die Sache somit entschieden sei.4 Dabei ließ sie bewusst den entscheidenden Faktor aus, dass eine Landes- und Bundesregierung Gesetze auch ändern kann. Verantwortlich für die bestehende Rechtslage, nach der ein Verwaltungsgericht urteilt, ist die Regierung, somit hat das Oberverwaltungsgericht Münster den Ball auch der Politik rübergeschoben, die dann aber stumm blieb. Herr Habeck hätte als Bundesminister äußern können: „Die Kohleverstromung der 55 Meter Kohleflötze unter Lützerath5 überschreiten deutlich das Sektorziel der deutschen Wirtschaft, weswegen es dem Konzern nicht erlaubt sein darf, die Kohle unter Lützerath abzubaggern und zu verbrennen.“ Auch Frau Neubaur hätte 2022 die neue Leitentscheidung nicht unterschreiben müssen, so hätte sie die Bagger aufhalten können. Und noch eine Sache fällt auf. Zeitgleich mit dem Abriss von Lützerath, der internationalen Presse vor Ort und dem enormen Imageverlust nicht nur für den Braunkohlekonzern RWE, der viel zu spät und zu zaghaft nun auch auf erneuerbare Energien setzt, sondern auch für Bündnis 90/ Die Grünen, preschte die Bundesspitze der Grünen, und hier besonders die Vorsitzende Ricarda Lang hervor. Sie griff Volker Wissing an, er würde die Klimaziele im Verkehrssektor nicht einhalten.6 Dies zu diesem Zeitpunkt in den Vordergrund der Debatte zu rücken war schon mehr als auffällig und verlogen. Natürlich tut Volker Wissing viel zu wenig für eine deutliche Reduktion der Treibhausgase im Verkehrssektor, aber nur allein das Braunkohlekraftwerk Neurath im Rheinischen Braunkohlerevier verursachte im Jahr 2021 einen CO2-Ausstoß von 22,1 Millionen Tonnen, wie es der BUND auf seiner Webseite dankenswerterweise veröffentlicht hat.7 Der BUND und die DUH klagten nach dem Abriss von Lützerath jedoch gegen den Gebäudesektor mit der zuständigen Ministerin Klara Geywitz von der SPD und gegen den Verkehrssektor mit dem zuständigen Minister Volker Wissing von der FDP. Warum aber nicht gegen Robert Habeck von den Grünen? Weil seine Parteifreundin Frau Neubaur, zumindest laut Südwestpresse, ebenfalls Mitglied beim BUND ist?8 Der BUND ist unabhängig und hat außerdem sehr engagierte Menschen, die vieles bezüglich Arten-, Natur- und Klimaschutz voran gebracht haben, der BUND hat auch massiv den Abriss von Lützerath kritisiert, nur warum klagt er anschließend ausschließlich gegen den Bau- und Verkehrssektor? Als Fazit kann gesagt werden, dass die Klage des BUND und der DUH zwei Ministerien bloß gestellt haben, am Ende aber vermutlich bedauerlicherweise wieder mal nichts umgesetzt wird.

  1. https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/bahnbrechendes-klima-urteil-deutsche-umwelthilfe-zwingt-bundesregierung-vor-gericht-zur-aufstellung/ ↩︎
  2. https://www.tagesschau.de/inland/klimaschutz-regierung-100.html ↩︎
  3. https://www.planet-wissen.de/natur/umwelt/globaler_wandel/pwiederoekologischefussabdruck100.htm ↩︎
  4. https://taz.de/Mona-Neubaur-ueber-Luetzerath/!5905274/ ↩︎
  5. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/luetzerath-faq-klima-aktivisten-raeumung-100.html ↩︎
  6. https://www.sueddeutsche.de/politik/ricarda-lang-wissing-klimaziele-ampel-streit-1.5727244 ↩︎
  7. https://www.bund-nrw.de/braunkohle/hintergruende-und-publikationen/braunkohlenkraftwerke-contra-klimaschutz/kraftwerksstandorte/ ↩︎
  8. https://www.swp.de/panorama/personen/mona-neubaur-gruene-nrw-privat-64410127.html ↩︎