Redaktioneller Hinweis: Dieser Beitrag gibt, was einzelne Details zu Vorgeschichte und Folgen des von Putin begonnenen Angriffskriegs betrifft, nicht unbedingt die Meinung der Klimaliste Deutschland wieder. Beiträge in diesem Blog wie der vorliegende sind aus unserer Sicht unverzichtbar, um zeitnah Meinungsbildung zu ermöglichen. Konsens ist: Vorstand und Mitglieder der Klimaliste Deutschland verurteilen das Vorgehen Putins und der russischen Streitkräfte auf das Schärfste. Unser tiefes Mitgefühl gilt allen, die betroffen sind. #StandWithUkraine (Uwe)
Das politische Konzept der weiteren Aufrüstung, Konfrontation und wirtschaftlich-militärischen Erpressung ist strikt abzulehnen. Es gilt, endlich aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und den Mut zu gleichberechtigter Zusammenarbeit zwischen allen Staaten, nicht nur in Europa, aufzubringen.
Kein Verständnis für Putins Aggression!
Russlands Angriff auf die Ukraine ist ein Völkerrechtsbruch und als Krieg zwischen Staaten ein Anachronismus aus dem letzten Jahrtausend. Es ist unerheblich, ob vom Westen mündliche Absprachen bezüglich einer Nato-Osterweiterung gebrochen wurden oder nicht[1]. Die russische Regierung allein ist für diese Eskalation verantwortlich zu machen.
Man kann nicht anders als diesen Angriffskrieg mit Bestürzung zur Kenntnis zu nehmen und aufs Schärfste zu verurteilen. Dieser Überfall hat sich lange angekündigt und kam dennoch für alle überraschend. Klar ist, in Deutschland gibt es keinerlei Verständnis für Putins Aggression! Viele Menschen sind jetzt auf der Flucht und brauchen dringend unsere Hilfe. Wir müssen Putin möglichst schnell daran hindern, weiteres Blut zu vergießen. Die Frage ist, wie reagiert Deutschland jetzt am besten auf Putins Angriffskrieg?
Riesige Militäretats
Bundeskanzler Olaf Scholz hat diese Frage beantwortet: Er will 100 Milliarden Euro zusätzlich in Aus- und Aufrüstung der Bundeswehr investieren. Und künftig will man das Ziel von Ausgaben in Höhe von zwei Prozent des gesamten Bundeshaushalts für die Nato noch übertreffen.[2] Alles wegen der potentiellen Gefahr, dass Russland an der ukrainischen Grenze nicht Halt macht. Und für den Fall, dass Putin die 5.800 Atomraketen der Nato nicht abschrecken.[3]
Klarer kann man Putin nicht vermitteln: bis zur Grenze Polens und keinen Schritt weiter! Wenn man jetzt vor allem die Grenzen der Nato-Staaten verstärkt statt sich auf das Leid in der Ukraine zu konzentrieren, ist klar: Deutlicher kann die Ukraine nicht aufgegeben werden.
Die Truppen der Nato sind den russischen Streitkräften ungefähr im Verhältnis 4:1 überlegen.[4] Die Länder der Nato, die ihre Truppen nicht der Nato zur Verfügung gestellt haben, sind hier nicht inbegriffen. So verfügen allein die USA noch zusätzlich über elf Flugzeugträger[3], während Russland nur über einen verfügt[4], also auf Augenhöhe mit Frankreich liegt, mit ebenfalls einem, der ebenfalls nicht der Nato unterstellt ist.
Der Wehretat der Vereinigten Staaten war im Jahr 2018 mit 649 Milliarden US-Dollar zehn Mal so hoch wie derjenige Russlands. Frankreich allein gibt mehr für sein Militär aus als Russland. Deutschland hat im Jahr 2018 mit 49,5 Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgegeben, in Russland lag der Etat nur zwölf Milliarden Euro höher – bei 61,4 Milliarden Euro.[5] 2020 betrug das gesamte Budget der Nato geschätzt eine Billion Euro.[6] Selbst China, Russland und Indien zusammen kämen nur auf 378 Milliarden Euro.[5] Russland ist der Nato mit konventionellen Streitkräften mindestens im gleichen Verhältnis unterlegen wie die Ukraine Russland.[7]
Die atomare Bedrohung
Warum haben wir dann so viel Angst, Russland in der Ukraine in seine Schranken zu weisen? Russlands nukleares Arsenal besteht aus 6.375 Atomraketen.[4] Beide Seiten können die Welt vielfach in den Untergang bomben.
Kaum jemand zweifelt daran, dass bei einer direkten Konfrontation der Nato mit Russland genau dies passieren würde. Aus diesem Grund blieb der Kalte Krieg über 40 Jahre lang kalt. Die Abschreckung funktioniert: Weil wir nicht im Traum daran denken, Russland anzugreifen, wird Russland auch nicht die Nato angreifen. Wer als erster Atomwaffen einsetzt, stirbt als Zweiter.
Das bedeutet auch: Eskaliert die Situation, lässt sich die Nato auf einen bewaffneten Konflikt mit Russland ein, schützen uns höhere Militäretats nicht. Was will man dem Arsenal noch hinzufügen, was noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist?
Schauen wir uns hierzu einmal die genaue Aufgabe der Bundeswehr an, wie sie von der Bundeszentrale für Politische Bildung beschrieben wird:
„Zentrale Norm ist dabei Art. 87a GG mit seinem ersten Satz: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Damit ist zum einen klargestellt, dass der Bund für die Armee verantwortlich ist und nicht die Länder. Zum anderen wird als Hauptaufgabe der Bundeswehr die Verteidigung definiert. Diese umfasst sowohl die Verteidigung Deutschlands (Landesverteidigung) als auch die Bündnisverteidigung auf der Grundlage des Nato-Vertrages. Jedenfalls ist die Bundeswehr defensiv auszurichten. Denn Art. 26 GG erklärt bereits die Vorbereitung eines Angriffskrieges für verfassungswidrig.“[8]
Die Bundesregierung sagt, dass wir zum Beispiel das Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug F-35 benötigen, das auch Atombomben abwerfen kann – im Sinne der atomaren Teilhabe.[1]
Atombombe auf Polen?
Wenn wir also nur die Grenzen der Nato verteidigen, falls Putin angreift, werfen wir dann Atombomben auf Polen, sobald russische Soldaten die polnische Grenze überschreiten?
Wie lassen sich Atomwaffen im Kriegsfall einsetzen? Gegen russische Truppen im Anmarsch durch die Ukraine? Falls auch direkt von Deutschland eine atomare Bedrohung ausgeht, schützt uns das wirklich mehr? Oder führt es nicht nur dazu, dass wir aufgrund unserer atomaren Bedrohung als Angriffsziel höher priorisiert werden?
Sicherheitspolitik wird ad absurdum geführt, wenn sie dazu führt, dass atomare Vernichtung wahrscheinlicher wird. Die F-35werden vor allem wegen ihrer Eigenschaft angeschafft, B61-12 Atombomben abzuwerfen. Diese wurden so konstruiert, dass sie erst mehrere Meter unter der Erde eine Bunkerwand durchschlagen können und dann detonieren.[9] Scheinbar befürchtet unsere Regierung demnächst eine Mobilmachung unterirdischer russischer Atomschutzbunker, die sie an der Grenze abwehren möchte. Sonst wäre der F-35-Einsatz ja nicht konform mit der defensiven Ausrichtung der Bundeswehr.
Drohnen zur Verteidigung?
Heron 1 ist eine israelische Aufklärungsdrohne, die sich mit Waffen bestücken lässt. Warum will die Bundeswehr sie anschaffen? Brauchen wir Aufklärungsdrohnen, damit sich unsere Soldaten innerhalb der Nato-Grenzen nicht verlaufen? Aufgeklärt wird in unbekanntem Terrain. Wir besitzen bereits die unbewaffnete Version der Heron 1. Auf der Website der Bundeswehr steht dazu: „Die Drohne Heron 1 – lautlose Aufklärung aus der Luft“ und unter der Rubrik „In Einsätzen bewährt“ werden Afghanistan und Mali genannt.[10] Das zeigt: Diese Drohnen braucht die Bundeswehr nicht zur Grenzverteidigung, sondern für Auslandseinsätze.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Die Bundeswehr verlangt seit Jahren, bewaffnete Drohnen einsetzen zu dürfen. Sie will ihre Feldlager in Auslandseinsätzen besser vor Angriffen schützen und Konvois im gefährlichen Terrain aus der Luft absichern.“[11] Also wieder Auslandseinsätze. Noch 2020 warnte Robert Habeck bezüglich bewaffneter Drohnen: „Es droht eine weitere Automatisierung des Kriegs, ohne dass es klare Einsatzregeln gibt.“[12] Vielleicht will die Regierung auch einen Friedensnobelpreis, wie Obama?
Der Trick des Themistokles
Die Angst vor einem Feind nutzen, um die Militärausgaben für einen Krieg mit einem anderen Feind zu rechtfertigen? Das kennen wir aus der Antike. Schon die Athener überlegten, was sie mit den hohen Gewinnen aus den staatlichen Silberminen machen sollten: an die Bürger auszahlen oder eine Stadtmauer bauen? Das Orakel von Delphi riet, hinter Mauern aus Holz Schutz zu suchen. Themistokles wollte Athen allerdings nach der Schlacht von Marathon auf einen weiteren Krieg mit den Persern vorbereiten. Dazu musste er sich den Bau der Flotte für die Schlacht bei Salamis genehmigen lassen. Also behauptete er, man müsse den Rat des Orakels nicht als Empfehlung für Holzpalisaden interpretieren, sondern als Aufforderung, mit dem Bau von Trieren zu beginnen. Die hatten immerhin Planken aus Holz. Die Schiffe seien, so Themistokles, für den Krieg gegen die Stadt Ägina vorgesehen, gegen die Athen in der Vergangenheit große Niederlagen erlitten hatte. Er wusste eben, dass er niemals das Geld für einen Krieg mit Persien bekommen würde.
Ein Uminterpretieren von Defensivausgaben in Ausgaben für Offensiveinheiten, das Antäuschen einer Vorbereitung auf eine Kriegsbedrohung, um die Militärausgaben für einen anderen Krieg zu rechtfertigen? Das ist genau, was wir meiner Meinung nach jetzt wieder erleben. Auslandseinsätze sind unpopulär, weil kaum vereinbar mit dem Grundgesetz. Insbesondere seit dem Desaster beim Rückzug (aka überstürzte, kopflose Flucht ohne Ortskräfte) aus Afghanistan. Da muss sich unsere neue Regierung gedacht haben, warum nicht die Angst vor einem Angriff Putins auf die Nato nutzen, um die aktuell unpopulären Auslandseinsätze finanziert zu bekommen. Man weiß ja nie, was die Zukunft bringt.
100 Milliarden vs 8 Milliarden
Den zusätzlichen 100 Milliarden Euro im Wehretat stehen zusätzliche 8 Milliarden Euro im Jahr 2022 für den Klimaschutz gegenüber. Im Jahr 2021 gab der Bund insgesamt 27 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen aus.
Laut dem jüngsten IPCC Bericht sind bereits heute 3,6 Milliarden Menschenleben durch den Klimawandel gefährdet. Das ist eine reale Bedrohung, die mit Sicherheit auf uns zukommt, wenn wir nicht weltweit Kräfte und Ressourcen bündeln, um zumindest die schwersten Auswirkungen abzumildern.
Es ist sehr bitter zu sehen, dass eine Partei wie die Grünen, die aus der Friedensbewegung hervorgegangen ist und Slogans wie „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Frieden ernst nehmen! Jetzt abrüsten“ vor sich hertrug, bei jeder Regierungsbeteiligung neue Auslandseinsätze unterstützen muss.
Vielleicht hätten Klimakanzler Olaf Scholz und seine grünen Vasallen sich das weitere Schicksal von Themistokles anschauen sollen. Er wurde am Ende per Scherbengericht verbannt und in Abwesenheit wegen Verrats verurteilt. Seine Heimat Athen wurde zum Wohle des Attischen Bunds geopfert und vollkommen zerstört. Vielleicht sollten wir die Regierung für den Verrat ihrer Ideale auch in die Opposition verbannen, bevor wir keinen Heimatplaneten mehr haben? Ich sehe auch hier wieder, dass die Klimaliste all das ist, was die Grünen einmal sein wollten.
Gerhard Schröder und seine Freundschaft mit Putin sollten wir als warnendes Mahnmal einer rot-grünen Regierung vor Augen haben, wenn wir die aktuellen Pläne danach bewerten, wem sie nützen. Vielleicht wird Scholz als „Genosse der Geschosse“ im Kanzleramt nach seiner Amtszeit Lobbyist bei Rheinmetall.? Am 27. Februar wurde die Erhöhung des Wehretats bekannt gegeben. Prompt stieg der Aktienkurs von Rheinmetall schon am nächsten Tag sprunghaft an. Wir sollten uns fragen: Wie würde sich eine effektive Friedenspolitik auf die Aktienkurse der Rüstungsunternehmen auswirken?