Klimaliste

Deutschland

Redaktioneller Hinweis: Unsere Blogbeiträge sind Meinungen und Anregungen einzelner Mitglieder und nicht die abgestimmte Haltung der Partei Klimaliste.

Bauernproteste und zweierlei Maß

Zu Beginn des Jahres werden wir in Deutschland wieder große Protestaktionen erleben: Autobahnen werden blockiert, Verkehr in der Innenstadt wird lahmgelegt. Ist die Letzte Generation etwa wieder zurück?

Tatsächlich sind es diesmal keine Klimaaktivisti, welche die Straßen blockieren, sondern Landwirte. Die Proteste sind vom Bauernverband organisiert und richten sich gegen die Abschaffung der klimaschädlichen Agrarsubventionen, welche im aktuellen Haushaltsplan der Ampel vorgesehen ist. Die Subventionen betreffen den Agrardiesel und die Autosteuer und würden bei Streichung eine jährliche Belastung von 4.000 bis 5.000 Euro pro durchschnittlichem Betrieb bedeuten [1].

Die berechtigten Anliegen der Bauern

Die Unterwanderungsversuche von Rechtsextremisten [2] sowie das aggressive Belagern und Einschüchtern von Politikern [3] müssen klar verurteilt werden, da sie unsere demokratischen Grundwerte in Frage stellen. Auch die engen Verbindungen vom Bauernverband mit der Agrarlobby lassen die Frage offen, wessen Interessen durch die Bauernproteste tatsächlich vertreten werden [4].

Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass Landwirtschaft ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft ist und die Interessen und Sorgen der Bauern ernst genommen werden müssen. Die mindestens 4.000 Euro weniger im Jahr können vor allem kleinere Betriebe vor eine große Herausforderung stellen. Alternativen wie E-Traktoren sind zudem keine praktikable Option, da diese Maschinen zum einen erst seit kurzer Zeit auf dem Markt verfügbar sind und es zum anderen keine Förderprogramme für eine Anschaffung gibt. Höhere Maschinenkosten werden zudem die Verwendung von Glyphosat fördern, da man durch Pestizide den Maschinengebrauch verringern kann. Da man zudem andere Subventionen wie die Pendlerpauschale unangetastet lässt, kommt die Vermutung auf, dass es sich hierbei um Klientelpolitik handelt, da die Wählerschaft der Ampel-Parteien zu einem nicht unerheblichen Teil aus den Großstädten kommt.

Das grundsätzliche Problem sind jedoch die viel zu niedrigen Erzeugerpreise, die Beträge, die Landwirte für ihre Produkte bekommen. Damit werden Landwirte von der Politik alleine gelassen, da ihre Verhandlungsposition nicht in dem Ausmaß gestärkt wird, das für bessere Erzeugerpreise nötig wäre. Die Streichung der Agrarsubventionen ist in diesem Kontext nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Unsere Regierung ist klar in der Verpflichtung, den landwirtschaftlichen Betrieben eine wirtschaftliche und nachhaltige Produktion und uns erschwingliche Lebensmittel mit kurzen Transportwegen zu ermöglichen.

Die unterschiedliche Wahrnehmung der Proteste

Unter diesen Gesichtspunkten haben sowohl die Proteste der Letzten Generation als auch die Bauernproteste im Kern ein berechtigtes Anliegen. Und obwohl beide Gruppen zu den annähernd selben Protestmethoden greifen, fallen die Reaktionen in Deutschland auf diese Proteste äußert unterschiedlich aus. „Die Proteste der Landwirte scheinen bisher auf mehr Akzeptanz in der Bevölkerung zu stoßen“, sagt Protestforscherin Lisa Bogerts [5]. Auf Straßen geklebte Klimaaktivisten sorgen hingegen für Spott und Hetze.

Der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, schloss sich den Bauernprotesten in Berlin an, während er Klimaaktivisten „zu vier Wochen Waldarbeit“ verurteilen würde [6]. Zudem wird aggressives, feindsinniges Belagern von Politikern in einen Topf mit friedlichen Klimaprotesten geworfen [7]. Die Akzeptanz der Bauernproteste kann zwar auch daran liegen, dass die Blockaden der Bauern bislang noch nicht so häufig vorgekommen sind. Trotzdem muss man sich fragen, wie kommt es zu diesem Messen mit zweierlei Maß?

Klimaaktivismus fehlt immer noch breite Anerkennung

Im BR wird erläutert:

Die Proteste der Bauern und der Klimaaktivisten werden in der Bevölkerung völlig unterschiedlich wahrgenommen. Protestforscher Teune beschreibt das so: Während die Proteste der Bauern als „wütend“ beschrieben würden und anerkannt würde, dass deren „Existenz bedroht“ sei, würde das Anliegen der Klimaaktivisten, „das existenzbedrohende Ausmaß der Klimakrise zu thematisieren“, nicht so breit anerkannt.

(Fünffinger, Anita: Letzte Generation versus Bauern: Gute und schlechte Blockierer?)

Bei Klimaprotesten wird also aufgrund der geringen Akzeptanz Kritik an den Protestmethoden vorgeschoben und ihnen ihre Legitimität abgesprochen, anstatt die Ängste der jungen Menschen ernst zu nehmen.

Wir sollten uns als Gesellschaft fragen, wenn wir die berechtigten Anliegen der Bauern ernst nehmen, warum nicht auch das existenzbedrohende Ausmaß der Klimakrise?


  1. Tagesschau – Wie es den Landwirten in Deutschland geht (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/proteste-landwirtschafts-unternehmen-100.html) . ↩︎
  2. Spiegel – Behörden warnen vor Unterwanderung der Bauernproteste durch Extremisten (https://www.spiegel.de/politik/behoerden-warnen-vor-unterwanderung-der-bauernproteste-durch-extremisten-a-c2e06b96-189d-4d5b-8935-a898698bc93d) . ↩︎
  3. Zeit – Landwirte hindern Robert Habeck am Verlassen einer Fähre (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-01/bauern-proteste-robert-habeck-faehre-schluettsiel) . ↩︎
  4. NABU – Die deutsche Agrarlobby: verfilzt, intransparent und wenig am Gemeinwohl orientiert (https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/agrarpolitik/26321.html) . ↩︎
  5. WDR – Autobahnen blockiert: Drohen Landwirten dieselben Strafen wie Klimaaktivisten? (https://www1.wdr.de/nachrichten/autobahnen-blockaden-landwirte-bauern-proteste-diesel-agrardiesel-steuerverguenstigungen-100.html) . ↩︎
  6. BR – Fünffinger, Anita: Letzte Generation versus Bauern: Gute und schlechte Blockierer? (https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/letzte-generation-versus-bauern-gute-und-schlechte-blockierer,Tz0Tacn) . ↩︎
  7. Kreiszeitung – Blockade von Habeck-Fähre: Reederei-Chef schimpft auf Bauern – „wie Klimakleber“ (https://www.kreiszeitung.de/politik/werden-traktor-blockade-landwirte-kuendigen-neue-mega-proteste-an-staedte-noch-im-januar-lahmgelegt-zr-92755304.html) . ↩︎