Dass der Deal zwischen dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Mona Neubaur (Wirtschaftsministerin in NRW) und dem Energieriesen und Essener DAX-Konzern RWE im Hinterzimmer abgeschlossen wurde, ist in der Klimabewegung inzwischen schon länger allgemein bekannt. Frau Neubaur betont zwar stets, die Versorgungssicherheit des Landes sei in Gefahr, deshalb brauche man die Kohle unter Lützerath, dies bestätige jedoch nur ein von der Landesregierung NRW in Auftrag gegebenenes Gutachten. Andere Gutachten kommen zu einem anderen Ergebnis.
Ein genauerer Blick in jenes Regierungs-Gutachten wirft sogar Fragen auf. Zunächst einmal fällt auf, dass im Gegensatz zum DIW-Gutachten kein einziges Wort über das Pariser Klimaschutzabkommen verloren wird. In keiner Zeile wird erwähnt, wie viel Braunkohle, die für unser Klima schädlich ist, noch maximal verfeuert werden darf, ohne dass die 1,5 Grad-Grenze überschritten wird. Diese Ignoranz ist erschreckend, zumal Frau Neubaur nicht nur Wirtschaftsministerin, sondern eigentlich auch Klimaschutzministerin ist.
Das Regierungs-Gutachten gibt an, dass für die Versorgungssicherheit des Landes bis Ende 2030 noch 348 Millionen Tonnen Braunkohle gebraucht würden. Ohne die Kohle unter Lützerath würden aber nur 280 Millionen Tonnen Braunkohle zur Verfügung stehen, 68 Millionen Tonnen würden also fehlen. Die Zahlen lassen sich kaum überprüfen, aber da sie von RWE selbst stammen muss die Glaubwürdigkeit zumindest in Frage gestellt werden.
Fakt ist jedenfalls: Mit einer Tonne Braunkohle lassen sich bis zu 2500 kWh Energie erzeugen. Mit den 68 Millionen Tonnen Braunkohle lassen sich also 170 TWh an elektrischer Energie erzeugen. Wenn wir jedes Jahr 1215 neue WEA mittlerer Größe zusätzlich zubauen, werden wir in 2030 4,8 GW installierte Leistung an Windenergie mehr haben. Diese werden zu diesem Zeitpunkt 170 TWh elektrische Energie ins Netz eingespeist haben. Warum deckt man also den angeblich fehlenden Bedarf nicht mit Windkraft (und Photovoltaik-), um langfristig eine saubere und unabhängige Stromversorgung zu gewährleisten?
Außerdem stellt sich die dringende Frage: Warum muss Lützerath unbedingt jetzt schon abgerissen werden, wenn doch für die kommenden Jahre erstmal noch 280 Millionen Tonnen Braunkohle zur Verfügung stehen? Es ist offensichtlich: es wird getrickst ohne Ende, um dem Drängen des fossilen Energieriesen RWE nachzukommen. Hat Frau Neubaur mehr Angst vor RWE als vor wütenden Protesten der Klimaaktivist:innen? Dass der Protest immer noch so groß ist und kontinuierlich zunimmt, hat die Grünen wohl überrascht. Es zeigt einmal mehr, dass die Grünen nicht so nah an der Klimabewegung sind, wie sie es nach außen gerne darstellen. Will RWE unbedingt jetzt alles abreißen, um Tatsachen zu schaffen die auch durch spätere Gerichtsurteile nicht mehr rückgängig zu machen sind? Wollen RWE und die NRW-Landesregierung diese unliebsame Angelegenheit möglichst schnell erledigt wissen, weil sie wissen, dass die Zeit gegen sie läuft?
Zum Jahresende 2022 läuft der derzeit gültige RWE Betriebsplan und damit die Rechtsgrundlage für RWE zum Abbagern der Kohle aus – die Regierung hat also zum Jahreswechsel die Option, einfach ein Moratorium zu beschließen, dass RWE zwingt die Bagger vor Lützerath anzuhalten und dass der Regierung ermöglichen würde, in der Causa Lützerath die anstehende neue Leitentscheidung für das Rheinische Revier abzuwarten. Oder sie kann den dreckigen Deal mit RWE weiter durchziehen, die Genehmigung verlängern, und damit die 1,5 Grad-Grenze endgültig aufgeben.
Wir fordern die Landesregierung NRW und das Wirtschaftsministerium im Bund auf, gerade jetzt nach Beendigung des Klimagipfels in Ägypten den Deal mit RWE noch einmal gründlich zu überdenken und sowohl die politischen Entscheidungen als auch die Rechtsgrundlage (Bergrecht vor Menschenrecht) endlich der Zeit bzw. der Klimakrise gemäß anzupassen!
Wir fordern ein Moratorium für Lützerath zum 1.1.2023! Lützerath muss bleiben!