Klimaliste

Deutschland

Redaktioneller Hinweis: Unsere Blogbeiträge sind Meinungen und Anregungen einzelner Mitglieder und nicht die abgestimmte Haltung der Partei Klimaliste.

Was bedeutet die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung

Bundesministerin Katherina Reiche hat den Monitoringbericht zur Energiewende vorgelegt  und schlägt zehn Schlüsselmaßnahmen vor1. Die einleitenden Aussagen sind zu Hinterfragen.

Mit der Aussage
  “Insbesondere ist der tatsächlichen Zahlungsfähigkeit von Industrie, Gewerbe und Haushalten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden.
 wird postuliert, dass die Energiepolitik in erster Linie für billige Energie sorgen muss. Weder Energiesparen noch Umweltverträglichkeit stehen im Vordergrund der Energiepolitik der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD. Energiesparen ist keine Option und wird mit keiner Silbe erwähnt.

Das die Bundesregierung den Klimaschutz bei der Energieversorgung eher als nachrangig betrachtet, zeigt sie auch dadurch, dass sie verlässliche Grundlastkraftwerke als Rückgrat der Versorgung neu aufbauen will,
  “allen voran durch moderne Gaskraftwerke mit Umstellungsperspektive auf Wasserstoff und durch Technologieoffenheit bei der Auswahl verschiedener Lösungen”. 
  
Es wird in erster Linie auf Gas als Energieträger gesetzt. Das Wasserstoff nur als Feigenblatt benutzt wird, zeigt sich insbesondere durch die Aussage,
  “Eine einseitige Fokussierung auf bestimmte Technologien oder Definitionsfragen – wie beim „grünen Wasserstoff“ – blockiert Innovationen, verhindert flexible Angebotsstrukturen und bremst die wirtschaftliche Entwicklung.”
  
Die Definition “Grüner Wasserstoff” soll also verwässert werden. Dahinter steckt scheinbar der Plan, die Gewinnung von Wasserstoff mit Hilfe fossiler Energieträger, als umweltfreundlich zu Labeln um damit wirklich CO2-freien Wasserstoff zu verdrängen. Also Förderung von Gas anstelle erneuerbarer Energien. Ein weiterer Beleg dafür ist die Aussage,
  “Gaskraftwerke mit Umstellungsperspektive auf Wasserstoff, werden priorisiert und pragmatisch gestaltet.”,
 
sowie die Maßnahme
 “Wasserstoff-Hochlauf pragmatisch fördern, überkomplexe Vorgaben abbauen.
 
Pragmatisch bedeutet sehr wahrscheinlich, dass Wasserstoff zwar verwendet werden kann, aber wenn Gas billiger sein sollte, verzichten wir auf den teureren Wasserstoff. Dies wurde bereits mit einer der ersten Aussage zur “Zahlungsfähigkeit von Industrie, Gewerbe und Haushalten” entsprechend priorisiert. Die Bezeichnung “überkomplexe Vorgaben” belegt ebenfalls die Abkehr von klaren Regeln zur Definition von “grünem Wasserstoff”.

Erneuerbare Energien werden als teuer und nicht regelbar gebrandmarkt, Zitat:
 “Eine weitere Folge der ungesteuerten Stromproduktion der erneuerbaren Energien sind teure Überschüsse.”.
  
Außerdem wird behauptet
  “Photovoltaikanlagen und Windkrafträder produzieren nur, wenn die Sonne scheint und der Wind weht.”
 
Bemerkenswert ist die Verwendung des Wortes “und” anstelle von “oder”, denn damit wird suggeriert, dass sowohl Wind wehen als auch Sonne scheinen muss, um Strom aus erneuerbare Energien erzeugen zu können. Weiter heißt es:
  “Da der Strom aber unabhängig davon immer gebraucht wird, reichen die erneuerbaren Energien allein nicht aus”.
  
Tatsächlich ist die Aussage grundsätzlich inhaltlich richtig, aber sie suggeriert, dass Strom den ganzen Tag kontinuierlich in gleicher Menge benötigt wird, was definitiv falsch ist. Tatsächlich wird tagsüber, also wenn auch die Photovoltaik Strom liefert, mehr Strom benötigt als nachts. Die folgende Grafik veranschaulicht, wie sich die Stromlast typischerweise über den Tag verteilt.22

Basierend auf dieser unsauberen Darstellung wird folgendes geschrieben,
  “das Resultat sind hohe Investitionen in das gesamte Stromsystem, vor allem in Infrastruktur, Speicher, Netzausbau und Backup-Kapazitäten, die für eine verlässliche Stromversorgung erforderlich sind. Hinzu kommen enorme Kosten für Netzengpässe (Abregelung, Redispatch), die entstehen, wenn die Netze den erzeugten Strom nicht aufnehmen und transportieren können. All diese Kosten verteuern unser Energiesystem und müssen letztlich von Verbrauchern und Unternehmen über die Stromrechnung bezahlt werden.”

Auch diese Aussagen sind nicht falsch, allerdings wird suggeriert, dass alle Probleme bei der Stromversorgung auf erneuerbare Energien zurückzuführen sind. Ich denke es gibt mehr Ursachen. Neben der Weigerung Bayerns, Windenergie adäquat auszubauen, ist der vernachlässigte Auf- bzw. Ausbau von Speicherkapazitäten bzw. Das Versäumnis, vorhandene Speicherkapazitäten zu nutzen, ein Grund für aktuelle Probleme. Warum ist nicht längst das Bidirektionale Laden von E-Autos möglich? Warum können die privaten Betreiber von PV-Anlagen  mit Batterie nicht in Abhängigkeit vom Strompreis agieren und Strom aus der eigenen Batterie einspeisen, wenn er gebraucht und teuer ist, und Strom speichern, wenn er billig ist? Warum wird nicht längst aktiv angeboten, den Strom abhängig vom aktuellen Preis am Spotmarkt zu beziehen? Das würde Anreize setzen, hohen Stromverbrauch in Tageszeiten zu legen, in denen der Strom billig ist. Das würde den Verbrauch über den Tag verteilt an die Stromproduktion anpassen.

Die Maßnahme “8. Forschung zukunftsgerichtet vorantreiben, Innovationen fördern”, verdient ebenfalls der Beachtung.

Wir wollen das Potenzial neuer Technologien wie beispielsweise Tiefengeothermie, Fusion, Wasserstoff und seine Derivate (in allen Farben) sowie Carbon Capture, Utilisation and Storage (CCS/CCU) erschließen”

Das heißt also, die Bundesregierung will die extrem teure Fusionsenergie fördern und gleichzeitig die Förderung von erneuerbaren Energien reduzieren oder sogar ganz einstellen. Außerdem soll das Abscheiden und gegebenenfalls unterirdische Speichern von CO₂, CCS/CCU3 gefördert werden. Auch das ist sehr teuer und dient hauptsächlich dazu, die weitere Nutzung von fossilen Brennstoffen unvermindert aufrecht zu erhalten statt sie – soweit möglich – durch erneuerbare Energien zu ersetzen.

Quellen:

  1. https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/klimaneutral-werden-wettbewerbsfaehig-bleiben.pdf?__blob=publicationFile&v=22 ↩︎
  2. https://www.eha.net/blog/details/stromlast-grundlast-spitzenlast-lastmanagement.html ↩︎
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Carbon_Capture_and_Utilization ↩︎