Nach der Räumung von Lützerath waren wir froh, dass die Zerstörung nicht nur in den gesamtdeutschen, sondern auch in internationalen Medien thematisiert wurde. In etlichen Zeitungen und Nachrichtenbeiträgen sowie Talkshows war die Räumung ein Thema. BBC World hat gleich mehrere Beiträge zu Lützerath erstellt und auch die US-amerikanische Presse war vor Ort. Über einige Fakten / Sachverhalte wurde, zumindest in Deutschland, leider viel zu wenig berichtet. Folgende Fragen müssen hingegen dringend gestellt bzw. thematisiert werden:
- Nicht China, Indien oder die USA, sondern Deutschland ist bei der Verbrennung von Braunkohle auf Platz 1.
- Braunkohle ist ein immenser Klimakiller: neben den Millionen Tonnen CO₂, die RWE jährlich in die Luft bläst, kommen jedoch noch etliche andere äußerst gefährliche und schädliche Schadstoffe, wie zum Beispiel: Stickstoffoxide, Schwefeldioxide, Kohlenmonoxide, Feinstaub, Benzol, Quecksilber, Cadium (letzteres schädigt unter anderem die Nerven, Nieren und Knochen). Diese werden durch Winde in die Städte Köln und Düsseldorf getragen. Besonders betroffen ist hier der Kölner Norden.
- RWE hat – auch ohne Lützerath noch 110 Millionen Tonnen aus Garzweiler und 170 Millionen Tonnen Braunkohle aus dem Tagebau Hambach zur Verfügung – warum muss Lützerath also jetzt fallen? Für die Energieversorgung in diesem Winter? Dazu kommt noch der 3. Tagebau Inden!
- Warum gibt es von der Sitzung am 04. Oktober 2022 zwischen RWE-Chef Krebber, der grünen NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur und dem grünen Bundeswirtschaftsminister Habeck kein Protokoll (Quelle: Der Spiegel)?
- Warum war bei der Sitzung kein Klimaforscher / keine Klimaforscherin anwesend? Wir haben sehr renommierte wissenschaftliche Einrichtungen wie das Potsdamer Klimainstitut!
- Wenn tatsächlich bis 2030 für die Energiesicherheit eine gewisse Menge an Kohle fehlen soll, warum versucht man diese nicht mit Windkraftanlagen, Fotovoltaik und anderen erneuerbaren Energien zu decken?
- Warum steht im Anhang des „Kurzgutachten zur Ermittlung des Braunkohlebedarfs bei einem Kohleausstieg bis 2030 im rheinischen Revier“, dass man sich auf Prof. Hossein Tudeshki beruft, der jedoch, wie zu lesen ist, „im Auftrag der RWE Power AG“ im August und September 2022 zwei „Untersuchungen zu den Auswirkungen des Tagebaus Garzweiler bei Nicht-Berücksichtigung der ehemaligen Ortschaft Lützerath“ erstellt hat. Ist das Gutachten wirklich so unabhängig?!
- Warum spricht die Grüne Mona Neubaur stets von Versorgungssicherheit, ignoriert aber bei ihren Begründungen immer das Pariser Klimaschutzabkommen?
- Warum wird die grandiose Rede von Greta Thunberg bei der Großdemo in Lützerath in den Medien kaum thematisiert?
- Warum steht der lebensbedrohliche Klimawandel bei der Debatte nicht zentral im Fokus und wie kann es sein, dass noch immer vielen Menschen diese existenzielle Gefahr nicht klar geworden ist?
- Warum liest man in Leitartikeln und Leserbriefen oft: „In Lützerath wohnt ja längst keiner mehr“, nie aber unter welchen Umständen die Menschen dort von RWE vertrieben worden sind und wie schlecht ihre Entschädigungen oft ausgefallen sind?
- Warum hört man nie, dass es sich bei dem nun zerstörten Hof um einen aus dem Mittelalter gehandelt hat, der zudem unter Denkmalschutz stand und RWE dem Landwirt im Gegenzug eine neue Fläche in Ost-Brandenburg, noch dazu in einer sehr trockenen Gegend angeboten hat?
- Warum wird nicht endlich mal öffentlich thematisiert, wie viele Dörfer durch die Braunkohle bereits zerstört wurden, wie viele Menschen unter großem Leid umziehen mussten, wie viele Kirchen, historische Gebäude und Kulturdenkmäler zerstört worden sind?
- Warum wird öffentlich nicht gesagt, dass der See, der nach jahrzehntelanger Flutung in den Gruben entstehen soll, kontaminiertes Wasser enthalten wird?
„Schon das wieder ansteigende Grundwasser werde wegen des Tagebaus Schwermetalle, Sulfite und andere Schadstoffe enthalten. ,Die Wasserqualität ist für Jahrhunderte verdorben, das kennen wir von anderen Tagebauseen. Hier ausgerechnet mit Rheinwasser aufzufüllen, wäre fatal‘, so [Dirk] Jansen [vom BUND].“
Quelle: www.24rhein.de vom 05.12.2022 - Warum bekommt der große milliardenschwere DAX-Konzern RWE für die Zerstörung noch Milliarden vom Staat?
„Nach dem Kohleausstiegsgesetz soll die LEAG 1,75 Milliarden Euro Entschädigung erhalten, RWE 2,6 Milliarden Euro.“
Quelle: Der Tagesspiegel, „Fragwürdige Formel für Kohle-Entschädigung: So kommen 4,4 Milliarden Euro für LEAG und RWE zusammen“. 15.05.2021 - Wie kann es sein, dass etliche Städte in NRW wie zum Beispiel auch Essen (ca. 18 Millionen RWE-Aktien, Quelle: Kritische-Aktionäre) und die Dortmunder Stadtwerke (ca. 24,5 Millionen RWE-Aktien, Quelle: Halterner Zeitung) noch immer in fossile Konzerne investieren dürfen?
- Warum spielt es in der Debatte keine Rolle, dass seit einigen Monaten der Staat Katar ein Großaktionär von RWE ist, ein Land, das maßgeblich die Terrororganisation al-Nusra mitaufgebaut und mitfinanziert hat?
- Wie hoch waren nun am Ende die Kosten für die Steuerzahlerin / den Steuerzahler für den massiven Polizeieinsatz mit ca. 3700 Polizistinnen und Polizisten?
- Warum stellt man sich nicht mal die Frage, warum Aktivistinnen und Aktivisten überhaupt diese großen Mühen auf sich genommen haben, in Baumhäusern, kalten Häusern oder sogar Zelten übernachtet zu haben und in Kauf nahmen, eine Anzeige zu bekommen?
Warum eigentlich nicht?
(Fotos von Roman Bonitz)