Vom Friedensprojekt zum Militärbündnis?
Der 9. Mai steht für Frieden und Einheit in Europa. In diesem Jahr jährt sich die Verabschiedung der Schuman-Erklärung zum 75. mal. Mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) im Jahr 1950 wurde der Grundstein für die Europäische Union gelegt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stand hinter den wirtschaftlichen Vorteilen durch die Zusammenlegung von Kohle und Stahl v. a. der Frieden in Europa im Mittelpunkt der Erklärung. Sie sollte es unmöglich machen Kohle und Stahl als strategische Ressourcen für Kriege innerhalb Europas zu nutzen. Gerade die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland sollte so stabilisiert werden. Frieden und Solidarität sind zentrale Grundsätze der Schuman-Erklärung.1
Die Schuman-Erklärung beginnt mit dem bekannten Zitat: „Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“2 Für die Schaffung und Sicherung des Friedens in Europa waren also viele Anstrengungen nötig. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Diese Bedrohung ist jetzt wieder deutlich spürbar. Ob die Europäische Union angesichts dieser ein Friedensprojekt bleibt scheint aktuell ungewiss.
Heute gibt es keinen Krieg mehr zwischen den Ländern der EU. Jedoch scheinen Konflikte der gesamten EU mit externen Ländern, wie Russland, immer wahrscheinlicher zu werden. In den vergangenen Jahrzehnten hatten die meisten Länder der EU kaum in Militär investiert. Seit dem Angriff auf die Ukraine steigen die Verteidigungsausgaben rasch an3, lagen 2024 im Mittel bei 1,9% des BIP der EU. Verglichen mit den Ländern, die einen Konflikt mit der EU suchen, ist das nicht besonders viel.
Wie soll die EU umgehen mit Diktaturen, die ihre Interessen im Zweifel mit Gewalt durchsetzen? Der Frieden innerhalb der EU funktioniert, weil jedes Land, das militärisch gegen seine Nachbarn vorginge, sofort die gesamte Gemeinschaft gegen sich hätte und dessen Regierung und Wirtschaft auf allen Ebenen unter Druck geraten würde. Dieser Druck funktioniert dadurch, dass die Länder in der EU durch die Gemeinschaft profitieren und Politik und Handel zwischen den Ländern eng miteinander verflochten sind. Frieden über geschlossene Grenzen hinweg zwischen weitgehend voneinander unabhängigen Ländern zu sichern, ist viel schwieriger.
Die EU braucht neue Verbündete. Mit unserer katastrophalen Einwanderungspolitik wird es jedoch schwer, solche zu finden. Man stelle sich vor, ein Kreuzfahrtschiff voller Europäer gerät vor der Elfenbeinküste in Seenot, die Küstenwache der Elfenbeinküste verweigerte den Rettungsbooten jedoch ein anlanden und tausende Menschen ertränken im Atlantik. Das würde die diplomatischen Beziehungen zwischen der EU und der Elfenbeinküste nachhaltig schädigen. Umgekehrt ist es aber ganz normal, dass die EU Menschen aus anderen Ländern, in denen Europäer Urlaub machen, abweist.
So ist es dann kaum verwunderlich, dass der Krieg in der Ukraine in Afrika oder Asien kaum jemanden interessiert. Russland kann weiterhin Handel treiben, die Sanktionen der EU laufen ins leere und der Krieg geht unvermindert weiter. Es ist schwer zu vermitteln, warum wir die Ukraine überhaupt gegen Russland verteidigen, wenn Länder der EU früher ebenfalls andere mittels kolonialer Herrschaft unterdrückt haben und bis heute eher wenig Reparationen gezahlt wurden.
Die Freiheit, die wir zu verteidigen vorgeben, gilt für Menschen in Europa, wird jedoch nicht mal in unseren direkten Handelsabkommen aktiv weiter propagiert. Europa schottet sich ab und doch bleiben wir in vielen, teils überlebenswichtigen Branchen wie Photovoltaik oder Textilien völlig abhängig von genau solchen Ländern, in denen man den Menschen vermutlich kaum vermitteln kann, warum sich ihr Leben verschlechtern würde, wenn sie Teil von Russland würden.
Nun haben mehr als 30 EU-Außenminister beschlossen ein internationales Sondertribunal gegen die Verantwortlichen des Angriffskrieges gegen die Ukraine gründen zu wollen.4 Die europäische Kommission legte Ende März mit „ProtectEU“ eine neue Sicherheitsstrategie vor, die v. a. auf Früherkennung und Prävention setzt. 5
Die EU wurde als Friedensprojekt gegründet, erhielt 2012 den Friedensnobelpreis und muss jetzt diplomatisch alles dafür tun, dass Europa wieder ein Kontinent des Friedens wird.
Alexandra (Klimaliste)
Wir werden sehen, wie die Weltgemeinschaft die europäische Rolle in diesem Konflikt bewerten wird.
- Europäischer Rat: Die Schuman-Erklärung. Die Geburtsstunde der EU, https://www.consilium.europa.eu/de/schuman-declaration/. ↩︎
- Europäische Union: Schuman-Erklärung von Mai 1950 https://european-union.europa.eu/principles-countries-history/history-eu/1945-59/schuman-declaration-may-1950_de. ↩︎
- Europäischer Rat: Die Verteidigung der EU in Zahlen, https://www.consilium.europa.eu/de/policies/defence-numbers/#expenditure. ↩︎
- Deutsche Welle, Startschuss für Sondertribunal zu Russlands Ukraine-Angriff, https://www.dw.com/de/startschuss-f%C3%BCr-sondertribunal-zu-russlands-ukraine-angriff/a-72492082. ↩︎
- Deutsche Welle, EU stellt neue Sicherheitsstrategie vor, https://www.dw.com/de/eu-innere-sicherheit-europol-frontex-desinformation-terrorismusbekaempfung-protecteu/a-72110069. ↩︎