Wir leben in einer Gesellschaft, in der man kaum etwas von dem produziert, was man konsumiert und kaum etwas von dem konsumiert, was man produziert. Die Vollzeitarbeit führt dazu, dass wir unsere ganze Zeit für die Lohnarbeit aufwenden, während wir dann in der Freizeit im Dienste des Kapitals konsumieren. Schon wieder etwas Neues kaufen, rechtfertigen wir dann damit, dass wir „es ja verdient haben“, weil wir ja so schwer schuften, in Berufen, von denen uns viele kaum noch mit Sinn erfüllen. Statt, dass Produktivitätssteigerungen dazu genutzt werden, einfach weniger zu arbeiten (um den gleichen materiellen Wohlstand zu erhalten!) schafft die Werbemaschinerie der Konzerne in modernen Konsumgesellschaften immer neue „Bedürfnisse“. Der Kapitalismus versucht alle Bereiche der Gesellschaft zu monetarisieren. Es gibt kein „Genug“ im Kapitalismus. Kann mit der gleichen Menge an Arbeit mehr produziert werden, wird immer mehr produziert, anstatt weniger gearbeitet. Nun sind wir aber an einem Punkt angelangt, an dem die Menschheit die Erde bis kurz vor den ökologischen Kollaps geführt hat. Neuerdings wird die Entkopplung des Wachstums vom Ressourcenverbrauch gepredigt. Während aber eine relative Entkopplung (also weniger Ressourcenverbrauch z.B. pro Prozentpunkt BIP Wachstum) möglich ist, scheint eine absolute Entkopplung (also Wachstum, bei gleichbleibendem oder sogar sinkendem Ressourcenverbrauch) unwahrscheinlich. Meiner Meinung nach kann die Antwort daher nur lauten die Industriegesellschaften schnellstmöglich in eine Postwachstumsgesellschaft zu überführen.
Eine Postwachstumsgesellschaft muss aber mit einer neuen „Kultur des Genug“, einhergehen, weshalb wir die 40-Stunden Woche als gesellschaftliche Norm in Frage stellen sollten. Zukünftige Produktivitätssteigerungen müssen dazu genutzt werden die (Lohn)Arbeitszeit zu verkürzen. Bereits jetzt könnten wir die Arbeitszeit deutlich reduzieren, wenn wir bspw. langlebige reparaturfähige und „updatefähige“ Technik produzieren würden, anstatt geplante Obsoleszenz zu tolerieren und Technik zu bauen, die man als Laie nicht reparieren kann. Außerdem haben bereits mehrere Studien, so z.B. ein Modellversuch in Großbritannien gezeigt, dass die geringere Arbeitszeit durch höhere Produktivität aufgefangen werden kann. Außerdem ging die Zahl der Krankheitstage in den beteiligten Unternehmen im Testzeitraum um zwei Drittel zurück. 56 von 61 beteiligten Unternehmen, wollen nach Ende des Modelversuchs an der 32 Stundenwoche festhalten. (https://www.n-tv.de/wirtschaft/Vier-Tage-Woche-ueberzeugt-britische-Firmen-article23932281.html
Aber was würde eine Verkürzung der Arbeitszeit dem Klima bringen? Könnten wir die neu gewonnene Freizeit nicht einfach dazu nutzen shoppen zu gehen, oder für einen kurzen Wochenendurlaub im Süden? Diesen möglichen negativen Effekten stehen zunächst einmal einige positive Effekte, wie z.B. verringerte Emissionen durch Verkehr (weniger Pendler) oder eine Entlastung des Gesundheitssystems gegenüber. An dieser Stelle müssen wir aber die Verkürzung der Arbeitszeit auch als Teil des umfassenden sozial-ökologischen Wandels begreifen, den wir als Klimaliste anstreben. Denn die zusätzliche freie Zeit kann vielfältig genutzt werden, ohne dem Klima zu schaden. Wir könnten uns als Gesellschaft in angemessener Weise um alle kümmern, in dem wir z.B. älteren Menschen und unseren Kindern mehr Aufmerksamkeit widmen. Wir könnten regionale Netzwerke zur (Selbst-)Versorgung schaffen und mehr von dem produzieren, was wir konsumieren. Wir könnten unsere sozialen Beziehungen stärken und eine florierende Kultur schaffen, in der sich jede*r selbst verwirklichen kann. Oder wir könnten einfach mal zufrieden sein, mit dem was wir haben und unsere freie Zeit einfach als „Freizeit“ genießen.