Klimaliste

Deutschland

Redaktioneller Hinweis: Unsere Blogbeiträge sind Meinungen und Anregungen einzelner Mitglieder und nicht die abgestimmte Haltung der Partei Klimaliste.

Klimaliteratur aus der Perspektive einer Buchhändlerin

Elvira Hanemann betreibt gemeinsam mit ihrem Mann die Buchhandlung Thaer in Berlin. Auch in ihren Alltag als Buchhändlerin hat das Thema Klimawandel Einzug erhalten. Inwiefern, erzählt sie in dem folgenden Beitrag.

„Mein Mann und ich sind leidenschaftliche Buchhändler*innen und betreiben eine eigene kleine Buchhandlung in Berlin.

In erster Linie verkaufen wir Belletristik, anspruchsvolle Romane, aber auch leichtere Literatur, Krimis und Unterhaltungsromane. Neben Kinderbüchern und einigen Sachbüchern haben wir auch eine – nicht allzu große – Sparte für Politik und Zeitgeschichte. Seit einigen Jahren versuche ich besonders die Bücher, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen, verstärkt einzukaufen und besser zu präsentieren. Mittlerweile ist das eine recht ansehnliche Abteilung geworden, und ich bin sehr erfreut über die Vielzahl an wissenschaftlichen Fachbüchern, an populärwissenschaftlicher Literatur und auch über die zunehmende Bedeutung von Romanen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen.

Gerade in Form von Dystopien und Utopien, aber auch im Krimi- und Thriller-Bereich ist der Klimawandel und das Artensterben zwar noch nicht Mainstream, aber definitiv angekommen.

Doch ist das denn überhaupt ein Grund zur Freude? Wäre es nicht viel schöner, wenn das alles gar nicht nötig wäre? Wenn sich die Autor*innen einfach auf menschliche Dramen, auf humoristische Bücher, auf gefühlvolle Liebesgeschichten und klassische Krimis konzentrieren könnten?

Für mich ist die Antwort klar: Ich freue mich über (fast – manche sind einfach zu schlecht geschrieben, um sich darüber zu freuen) jedes dieser Bücher, denn sie sind ein Kennzeichen dafür, dass das Thema wahrgenommen wird, dass die Ernsthaftigkeit und die Realität der Klimaveränderung anerkannt werden. Mal ganz marktwirtschaftlich gesehen bedeutet das auch: Die Verlage gehen davon aus, dass sich solche Titel auch finanziell lohnen könnten.

Ist der Klimawandel – ich sollte präziser sagen: die nahende Klimakatastrophe – also endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen?

So weit würde ich noch nicht gehen. Den meisten gelingt es immer noch, alles weit von sich wegzuschieben. Der Mensch ist ein Meister der Verdrängung!

Die Arbeit in einer Buchhandlung besteht nicht nur aus Einkaufen, Beraten und Verkaufen, sondern sie ist sehr stark geprägt durch Gespräche. Natürlich in erster Linie über Bücher, über Literatur – über Kultur und darüber, wer was in welchem Feuilleton gesagt hat. Aber der Kundenkontakt geht weit darüber hinaus; so sprechen wir über Banales (ist das denn noch banal?) wie das Wetter, Krankheiten und eigene Befindlichkeiten. Was ich aber immer sehr schnell und sehr deutlich mitbekomme, sind Trendthemen: Krisen, Kriege, Epidemien, Skandale und vorherrschende Ängste.

Mit wie vielen Kund*innen habe ich nicht schon über die Corona-Epidemie gesprochen? Mit wie vielen über den Krieg in der Ukraine? Ich kann es nicht mehr zählen, so viele waren es. Gemessen daran ist das Thema Klimawandel noch erstaunlich wenig beachtet.

Es ist zwar ein Thema, das immer mal wieder angesprochen wird, aber immer nur dann, wenn gerade etwas ganz Aktuelles geschehen ist, z. B. viele Waldbrände in der Gegend oder die Flutkatastrophe im Ahrtal. Ansonsten bleibt es eher ruhig.

Selbst Weltklimakonferenzen oder globale Klimastreiktage sorgen für wenig Gesprächsstoff in der Buchhandlung. Wenn die Permafrostböden in Sibirien auftauen, wenn in Brasilien der Regenwald verschwindet oder in Indien die Menschen an Hitzewellen sterben, wenn Gletscher schmelzen – all das ist kaum ein Thema. Ab und zu kommt mal jemand, der das rapide Aussterben von Insekten und Schmetterlingen beklagt oder Befürchtungen über das immer weniger werdende Grundwasser ausspricht. Aber das große Thema? Nein, sicherlich nicht!

Bedenkenswert ist jedoch, dass in meine Buchhandlung vor allem Menschen kommen, die einen eher bildungsbürgerlichen Hintergrund haben. Das sind keine stumpfsinnigen Doofköpfe, die sich sowieso für nichts interessieren. Im Gegenteil habe ich sehr viele Kund*innen, die sich bereits 2015 sehr stark für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan eingesetzt haben, private Deutschkurse organisierten, Kulturangebote wie Musik- und Theaterveranstaltungen mit und für Geflüchtete stemmten. Auch jetzt wieder ist das Mitgefühl für die Menschen aus der Ukraine sehr hoch. Das zeigt sich auch an der Auswahl der gekauften und nachgefragten Bücher. So verkaufen wir Unmengen an Büchern ukrainischer Autor*innen und an Sachbüchern, die sich historisch und politisch mit diesem Krieg und seinen Hintergründen auseinander setzen.

Mangelndes intellektuelles Interesse kann ich also absolut nicht bemerken. Damals, nach der „Flüchtlingskrise“ konnte ich ebenfalls feststellen, wie viel mehr Bücher über den Islam oder über Migration gekauft wurden.

Nicht zu vergessen das große und immerwährende Thema Rassismus! Ich hätte nie gedacht, wie stark Sachbücher und Romane von afrikanischen Schriftsteller*innen oder von Schwarzen Amerikanischen Autor*innen nachgefragt werden – und wie viele auch, die sich der Problematik von Ausgrenzung und Rassismus im eigenen Land widmen. Das ist großartig! Ich freue mich da jedes Mal über die Kund*innen, aber auch über die Verlage, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen.

Doch warum funktioniert das dann nicht beim – nicht nur meiner Meinung nach – wichtigsten aller Themen?

Warum wird der Klimawandel noch nicht in der Breite als das gesehen, was er ist, nämlich als – wenn die Klimaerwärmung nicht ganz schnell und radikal gestoppt wird – die Menschheitskatastrophe? Was muss noch geschehen, damit die Menschen sowohl verstehen, dass sie lautstark die Politik drängen müssen, aktiv zu werden, wie auch ihr eigenes Verhalten zu ändern?

Als Buchhändlerin habe ich natürlich ein klein wenig Einfluss auf das, was in meiner Buchhandlung gekauft wird. So haben wir eine gut sichtbare Präsentation von Büchern rund um den Klimawandel im Eingangsbereich, immer wieder auch gibt es einen Sondertisch dazu, so hatten wir beispielsweise eine Zusammenarbeit mit den Omas for Future, deren Logo dann den Sondertisch zierte. Zu den globalen Klimastreiktagen wurde unser Schaufenster umdekoriert und natürlich gibt es auch im Kinder- und Bilderbuchbereich eine kleine, aber feine Auswahl zu Umwelt- und Klimathemen.

Ich bin zwar sicher, dass das durchaus zu einem höheren Verkauf führt, aber der ganz große durchschlagende Erfolg ist das leider nicht. Als Greta Thunberg noch „neu“ war, ja, da war es dann mal für eine kurze Zeit so, dass Bücher über sie wirklich sehr gut ankamen. Doch sehr lange hielt dieser Trend dann auch nicht an.

Wenn ich über den Buchhandel und den Klimawandel spreche, dann betrifft das natürlich nicht nur die Anzahl der verkauften Bücher dazu. Wir müssen uns auch andere Fragen stellen – und wir tun das auch!


Sehr heiß diskutiert – und es ist noch nicht ausdiskutiert – ist etwa die Frage, ob Bücher in Plastik verschweißt bleiben sollen oder nicht. Für mich ist die Antwort darauf sonnenklar: Weg mit dem Plastik! Doch das sehen weder alle Buchhändler*innen so noch alle Verlagsleute. Denn klar ist: eine Plastikverpackung hat Vorteile. Sie schützt das Buch vor Fettflecken, vor Kratzern und vor Knicken.

Ich bin sehr glücklich darüber, dass mittlerweile immer mehr Verlage auf unverpackt umgestiegen sind oder dabei sind, umzusteigen. Noch mehr freue ich mich darüber, dass das auch von den allermeisten Käufer*innen akzeptiert wird. Klar, es gibt sie noch, die ein Buch nochmal bestellen möchten, weil es einen kleinen Kratzer hat, aber es sind extrem wenige. Wen ich dann darauf hinweise, wie schön es doch sei, dass die Plastikverpackungen nun nicht mehr die Weltmeere verschmutzen, dann werden fast alle einsichtig. Ein weiteres Argument, das auch oft zu nachdenklichem Kopfnicken führt, sind die Taschenbücher, die ja schon immer unverpackt waren – und das hatte noch nie jemanden gestört. Ich hoffe, dass bald alle Verlage auf unverpackte Bücher umsteigen – und zumindest in dieser Hinsicht bin ich optimistisch.

Die Abschaffung von Plastiktüten im Handel ist sowieso schon ein fröhlich stimmendes Kapitel!

Vor ein paar Jahren hatten wir vorsichtig damit begonnen, eine kleine Gebühr auf Plastiktüten zu erheben. Schon diese Maßnahme war recht erfolgreich und die Ausgabe dieser Tüten hat sich sehr verringert. Mittlerweile haben wir ganz damit aufgehört, Plastiktüten auszugeben. Protest dagegen gab es zwar, aber er fiel verschwindend aus. Kund*innen haben wir dadurch nicht verloren. Da auch Papiertüten keine allzu schöne Umweltbilanz haben, reiche ich die Bücher immer einfach so über den Kassentisch. Und siehe da: Die Menschen sind durchaus fähig, sich um zu gewöhnen! Sehr viele haben eigene Taschen und Beutel dabei und verstauen ihre Ware anstandslos darin. Wenn mich allerdings jemand um eine Papiertüte bittet, dann bekommt er sie auch. Eine andere Möglichkeit, wenn jemand viel einkauft und keine eigene Tasche bei sich hat, sind Stofftaschen, die wir manchmal gegen Pfand ausgeben, oder auch mal verschenken.

Eine viel schwierigere Frage stellt sich mir manchmal, eine Frage, die noch nicht breit besprochen wird in der Buchhandelsszene. Diese betrifft die Herstellung von Büchern. Ist es angesichts des Klimawandels noch vertretbar, so viele Bäume zu fällen, so viel Holz zu verbrauchen, um Bücher zu drucken? Tatsächlich ist die Menge an neu produzierten Büchern riesig, jedes Jahr werden allein in Deutschland zwischen 65.000 und 90.000 Neuerscheinungen auf den Markt geworfen. Ich möchte nicht wissen, wie viele davon dann remittiert und wieder eingestampft werden, also „für die Tonne“ produziert wurden.

Ganz davon abgesehen, dass sehr viele dieser Neuerscheinungen tatsächlich absolut austauschbarer und überflüssiger Schrott sind (aber das liegt immer im Auge des Betrachters), ist das schon eine Menge, an Holz, an CO₂, an Energie und an Wasser, die für Bücher verbraucht werden.

Manchmal bekomme ich deshalb ein schlechtes Gewissen. Doch andererseits: Was wäre ein Leben ohne Bücher???

Für viele Menschen – inklusive mir – sind gute Bücher ein echtes Lebensmittel, eine absolute Notwendigkeit. Aber ob es wirklich eine derartige Überproduktion sein muss? Das darf schon mal vorsichtig infrage gestellt werden.

Jedenfalls verkaufe ich lieber Bücher wie etwa „Das Ministerium der Zukunft“ von Kim Stanley Robinson, „Energierevolution jetzt“ von Volker und Cornelia Quaschning oder auch Eckart von Hirschhausens „Mensch, Erde“ als dass ich – um Papier zu sparen – keine Bücher mehr verkaufe.

Ich glaube fest daran, dass Bücher etwas bewirken und dass sie etwas verändern können.

In diesem Sinne: Literature for Future!“

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Quellen:
1: https://klimazukuenfte2050.de/klimaliteratur-aus-der-perspektive-einer-buchhaendlerin/

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