Ökologie und Umweltpolitik

Biodiversität und Ökosystemleistungen

Laut IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) verzeichnen wir weltweit substantielle Verschlechterungen der Biodiversität und Ökosystemleistungen.IPBES https://ipbes.net/sites/default/files/2020-02/ipbes_global_assessment_report_summary_for_policymakers_en.pdf Der Verlust an Biodiversität schreitet so schnell voran wie noch nie während der Menschheitsgeschichte. Für die menschliche Existenz ist eine intakte Natur jedoch Voraussetzung. Dasgupta, P (2021) The Economics of Biodiversity https://www.gov.uk/government/publications/final-report-the-economics-of-biodiversity-the-dasgupta-review Zurzeit betreiben wir durch unseren Lebensstil Raubbau an unseren eigenen Lebensgrundlagen. Mittlerweile sind 75 % der Landfläche auf der Erde vom Menschen signifikant verändert, 66 % der Meere sind gestört und 85 % der Feuchtgebiete sind zerstört worden. Wir befinden uns mitten im sechsten Massenartensterben. Die Geschwindigkeit der Austerberate ist so hoch wie sie seit 10 Mio. Jahren nicht mehr war. Ein Viertel der Tier- und Pflanzenarten auf der Welt sind mittlerweile bedroht, somit stehen 1 Mio. Arten kurz vor dem Aussterben. Dabei gehen sowohl die Anzahl der Arten als auch die Anzahl der Individuen stark zurück.Kunin, W. E. (2019). Robust evidence of declines in insect abundance and biodiversity. Nature, Vol. 574, pp. 641-642Hallmann, C. A. et al. (2017). More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLoSONE 12(10) Die größten Treiber der Veränderungen sind dabei: Landnutzungsänderungen, direkte Ausbeutung von Organismen, Klimawandel, Verschmutzung und Einwanderung fremder Arten.

Biodiversität und Ökosystemleistungen bilden die Grundlage für unser aller Wohlergehen und sind in vielen Bereichen lebensnotwendig. Sie liefern beispielsweise die Grundlage für Nahrungsmittel, für die Herstellung von Produkten, für die Energieversorgung und für Erholung. Biodiversität und Ökosystemleistungen besitzen somit einen erheblichen ökonomische Wert. Lebensräume und Artengemeinschaften bilden die direkte oder indirekte Voraussetzung einzelner Ökosystemleistungen. Durch intensive Flächennutzung geraten diese Voraussetzungen jedoch zunehmend in Gefahr.Naturkapital Deutschland – TEEB DE (2012): Der Wert der Natur für Wirtschaft und Gesellschaft – Eine Einführung. München, ifuplan; Leipzig, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ; Bonn, Bundesamt für Naturschutz

Biodiversität und Ökosystemleistungen müssen in Gesellschaft und Wirtschaft einen höheren Stellenwert einnehmen und ihren wahren Wert beigemessen bekommen . Nur so können wir einen weiteren Verfall stoppen und umkehren und Biodiversität und Ökosystemleistungen regenerieren. Der Erhalt von Biodiversität und Ökosystemleistungen wird bedeutend weniger kosten, als sie nach einer nachhaltigen Schädigung wiederherzustellen. Damit ist es auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll, in Biodiversitätsschutz zu investieren.

Ziele und Maßnahmen

Ökozid als Straftatbestand

Großflächige Abholzung, Ölkatastrophen, industrieller Fischfang und weltweite Plastikverschmutzung sollten als Verbrechen geahndet werden. Das werden sie aber nicht. Regierungen und Unternehmen müssen mit keinen rechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sie die Natur zerstören. Der Ökozid, d.h. die großflächige Zerstörung von Ökosystemen, muss im Strafrecht als Verbrechen eingestuft werden. Dies muss in Deutschland, in der EU und im internationalen Völkerrecht geschehen. Bei der Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen ist die Einhaltung der natürlichen Regenerationsfähigkeit von Ökosystemen zu beachten und zu wahren. Eine Übernutzung wird strafrechtlich verfolgt. So bekommen Ökosysteme einen höheren Stellenwert und Biodiversität und Ökosystemleistungen können effektiver geschützt werden.

Moore schützen und regenerieren

Moore speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde zusammen.Parish, F. et al. (2008). Assessment on Peatlands, Biodiversity and Climate Change: Main Report. Global Environment Centre, Kuala Lumpur and Wetlands International, Wageningen http://www.imcg.net/media/download_gallery/books/assessment_peatland.pdf (imcg.net) Das macht sie zu einem enorm wichtigen Element bei der Bewältigung der Klimakrise. Moore werden schon lange von Menschen trockengelegt und zerstört. Ursprünglich waren 5 % der Fläche Deutschlands mit Mooren bedeckt, was der Fläche von Sachsen entspricht. Heute beträgt die Fläche nur noch 0,1%, was der Größe von Bremen entspricht.Abel, S. et al. (2018). Moore - die unbekannten Klimaschützer https://greifswaldmoor.de/files/images/pdfs/KATAPULTokt-dez2018_Artikel Moore - die unbekannten Klimaschuetzer.pdf (greifswaldmoor.de) Bei der Trockenlegung von Mooren entweichen enorme Mengen an CO2 und hinterher können diese Flächen nur noch wenig CO2 binden und speichern. Zum einen werden Moore trockengelegt, um die Böden landwirtschaftlich zu nutzen, zum anderen wird der Torf direkt abgebaut, um ihn z. B. als Dünger für Gartenerde zu benutzen. Über ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft stammen von trockengelegten Feuchtgebieten.Greifswald Moor Centrum https://www.moorwissen.de/de/moore/moorschutz/klimaschutz_durch_moorschutz.php Moore müssen wieder zu echten Klimaschützern werden. Dafür wollen wir folgende Maßnahmen umsetzen:

Die Wiedervernässung von Mooren ist der einzige Weg, um weitere ungehinderte Treibhausgas-Emissionen zu verhindern. Intakte Moore können in Zukunft dann auch wieder Kohlenstoff speichern.

Flächenverbrauch/-versiegelung stoppen

Jeden Tag werden in Deutschland 52 ha Siedlungs- und Verkehrsfläche neu ausgewiesen.BMU https://www.bmu.de/themen/europa-internationales-nachhaltigkeit-digitalisierung/nachhaltige-entwicklung/strategie-und-umsetzung/reduzierung-des-flaechenverbrauchs Das ist eine Fläche so groß wie 72 Fußballfelder. Dieser Verbrauch schreitet schleichend voran und wird daher von Bürgern und Entscheidungsträgern kaum wahrgenommen. Die verbrauchten Flächen stehen der Landwirtschaft und der Natur als Lebensraum nicht mehr zur Verfügung. Gerade für intakte Ökosysteme hat eine Zerschneidung oft fatale Auswirkungen und schädigen diese maßgeblich. Von den Flächen, die für Siedlung und Verkehr verbraucht werden, sind ca. 45 % versiegelt, d.h. bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt.Umweltbundesamt https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung Wichtige Bodenfunktionen, wie Wasserdurchlässigkeit, Gasaustausch mit der Atmosphäre (gesunde Böden können sehr viel CO2 aufnehmen und speichern) und Bodenfruchtbarkeit, gehen damit verloren. Dieser Flächenverbrauch muss endlich wirksam gestoppt werden. Deshalb wollen wir folgende Maßnahmen umsetzen:

Artenvielfalt und natürliche Lebensräume erhalten

Wir befinden uns inmitten des sechsten Massenaussterbens. Das Ausmaß des Artenverlustes ist größer als zu der Zeit der Dinosaurier. Arten sterben 100- bis 1000-mal schneller aus als vor Beginn menschlicher Einflussnahme.Ceballos, G. et al. (2015). Accelerated modern human-induced species losses: Entering the sixth mass extinction. Science Advances 1/5: e1400253-e1400253 In den letzten 20 Jahren hat sich die Anzahl der Arten, die vom Aussterben bedroht sind, fast verdreifacht. Dabei ist die Artenvielfalt vor allem durch den Lebensraumverlust bedroht. Landwirtschaft, Entwaldung und Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr dezimieren natürliche Lebensräume.Hoffmann, M. et al. (2010). The impact of conservation on the status of the world’s vertebrates. Science 330/6010: 1503-1509 Wir müssen natürliche Lebensräume konsequent schützen, bewahren und wiederherstellen, um den Verlust an Artenvielfalt zu stoppen. Wenn wir geeignete Bedingungen schaffen, kann sich die Artenvielfalt auch wieder erholen. Dafür müssen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:

Wasser als eins der wichtigsten Güter schützen

Lediglich sieben Prozent unserer Flüsse sind in einem guten ökologischen Zustand. Somit wird das Ziel der ⁠Wasserrahmenrichtlinie⁠ weit verfehlt. Die Grenzwerte für Nitrat im Grundwasser werden an ca. 16 Prozent der Messstellen überschritten. Die noch immer zu hohe Nährstoffbelastung der Gewässer, vor allem durch die Landwirtschaft, ist der Hauptgrund für diese Belastung.Umweltbundesamt https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/umweltzustand-2020-umweltbundesamt-zieht-gemischte Sauberes Trinkwasser wird immer mehr zum Luxusgut und es wird nicht mehr lange dauern, bis darum Kriege geführt werden. Um in Deutschland die Trinkwasserverfügbarkeit nachhaltig zu gewährleisten, müssen wir umdenken und folgendes umsetzen:

Meeresschutz

Im Bereich Meeresschutz liegen viele Strategien und Richtlinien auf dem Tisch. Es fehlt jedoch an Personal und Interesse diese umzusetzen und zu kontrollieren.NABU https:\www.nabu.de\natur-und-landschaft\meere\lebensraum-meer\24850.html Dabei befinden sich Nord- und Ostsee in keinem guten Zustand. Die Belastungen der Lebensräume von Fischen, Vögeln und Säugetieren sind zu hoch. Zu den größten Problemen zählen die Eutrophierung (zu hoher Nährstoffeintrag), Überfischung und Übermüllung (vor allem Plastikmüll). Auch die Ausbreitung nicht-heimischer Arten gefährden unsere heimischen Ökosysteme.Umweltbundesamt https:\www.umweltbundesamt.de\presse\pressemitteilungen\deutsche-nord-ostsee-sind-nicht-in-gutem-zustand Um unsere Meere konsequent zu schützen, muss der Meeresschutz einen höheren Stellenwert bekommen und institutionell aufgewertet werden. Deshalb wollen wir folgende Maßnahmen umsetzten:

Tierschutz und Tierrechte stärken

Täglich werden viele Tiere auf Grund wirtschaftlicher Interessen gequält. Nicht nur in der Landwirtschaft, auch in Wirtschaft und Wissenschaft sind Tiere oftmals dem menschlichen Handeln hilflos ausgeliefert. In der Massentierhaltung in Deutschland werden 763 Mio. Tiere gehalten (Stand 2019).Albert-Schweitzer Stiftung https:\albert-schweitzer-stiftung.de\massentierhaltung In unserer fortschrittlichen und aufgeklärten Gesellschaft sollte diese Ausbeutung nicht vorkommen. Wir wollen, dass das endlich aufhört. Deshalb wollen wir folgende Maßnahmen umsetzen:

Klimawandelfolgenanpassung

Risiken und Folgen der Erderwärmung in Deutschland sind schon lange bekannt und wurden jetzt in einer aktuellen Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland umfassend dargestellt. Insgesamt 25 Bundesbehörden und -institutionen haben wissenschaftlich fundierte Maßnahmenvorschläge erarbeitet. Die Vorschläge helfen Ländern, Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen Schäden zu minimieren und sich an unvermeidliche ⁠Klimafolgen⁠ anpassen zu können. Auch bessere Vorsorge für Extremwettereignisse wird miteingeschlossen. Bisher hakt es jedoch in Deutschland an der Umsetzung, da geeignete rechtliche und finanziellen Rahmenbedingungen fehlen.Umweltbundesamt https:\www.umweltbundesamt.de\themen\klimaanpassung-jetzt-gesetzlich-verankern Was wir brauchen, ist ein Klimaanpassungsgesetz, welches Klimaanpassung flächendeckend und dauerhaft verankert. Mit dem Gesetz könnten Maßnahmen im Bereich Hochwasser- und Katastrophenschutz, Wasserknappheit und Hitzeschutz vorangetrieben werden. Der Hochwasserschutz spielt eine maßgebliche Rolle und muss gestärkt werden. Dazu gehören:

Diese Maßnahmen helfen auch der Entstehung von Hitzeinseln entgegenzuwirken. Gerade in Städten heizen sich versiegelte Flächen im Sommer schnell auf und werden zur Hitzefalle. Auch Wasserknappheit wird in Zukunft häufiger ein Thema werden. Um dem entgegenzuwirken müssen wir dafür sorgen, dass sich unsere Grundwasservorräte wieder erholen. Renaturierung ist hier die beste Alternative. Aber auch der Ausbau von Wasserreservoiren, gerade in Städten, sollte verfolgt werden. Der Katastrophenschutz muss besser aufgestellt und ausgerüstet werden. Wir brauchen bessere Warnsysteme und mehr Personal, um im Ernstfall schnell helfen zu können.

Umweltrecht/-politik

Grundgesetz ändern

Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen darf nicht länger nachrangig behandelt werden. Unsere Lebensgrundlagen sollten daher auch im Grundgesetz gestärkt werden. Wir schlagen eine Erweiterung des Artikels 2 (1) GG vor. Dieser sollte lauten: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt, die Lebensgrundlagen unserer Gesellschaft zerstört, schädigt oder ausbeutet und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Außerdem sollten Klima-, Natur- und Umweltschutz als Daseinsvorsorge betrachtet werden und das Recht auf sauberes Wasser, saubere Luft und sauberen Boden als Grundrechte anerkannt werden.

Naturschutzgesetz stärken

Die Naturschutzgesetzgebung ist in ihrer jetzigen Form zahnlos. Sie muss viel öfter den Straftatbestand erfüllen und Konsequenzen haben. Ausgleichsmaßnahmen verdienen oft den Namen nicht. Sie müssen in Zukunft im Voraus angelegt werden und mindestens 10 Jahre lang gepflegt werden. Die langfristige Finanzierung für Betreuung und Pflege von Ausgleichsflächen über die 10 Jahre hinaus muss gesichert sein. Bei Missachtung und Verödung der Flächen müssen neue Flächen ausgewiesen werden. Erst dann dürfen Ausgleichsmaßnahmen nach ihrer Kontrolle für Ökokonten freigegeben werden.

Bergbaurecht ändern

Bergbauunternehmen müssen direkt als Verursacher für entstandene Schäden (wie z. B. Bodenschäden) haftbar gemacht werden. Schäden dürfen nicht mehr auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Bislang wird Bergbau und Rohstoffabbau mehrfach subventioniert, z. B. über eine Begünstigung bei Wasserentnahmeentgelten. Diese Subventionen sind zu streichen .

Immissionsschutzrecht ändern

Auslagefristen müssen verlängert werden und Bauprojekte müssen von Bürgerräten vor Ort genehmigt werden.

Jährlicher Statusbericht der Bundesregierung

Die Bundesregierung muss einen jährlichen Statusbericht zur Entwicklung der Biodiversität und der Ökosystemleistungen im Land veröffentlichen.

Umweltschädliche Subventionen abbauen

Umwelt- und klimaschädliche Subventionen, wie das Dieselprivileg, die Steuerfreiheit von Kerosin, das Dienstwagenprivileg und steuerliche Vergünstigungen für Agrardiesel sind abzuschaffen.Runkel M, Leisinger C, Fiedler S (2021) Klimaschädliche Subventionen abbauen, den Gordischen Knoten der Klimapolitik lösen. FÖS (Forum Ökosoziale Marktwirtschaft); https://foes.de/publikationen/2021/2021-07_FOES_PolicyBrief-Subventionsabbau.pdf